Vergütungspflicht für Zusatzleistungen beim Subunternehmervertrag trotz Verletzung der Ankündigungspflicht nach § 2 Nr. 6 VOB/B
OLG Nürnberg, Urteil vom 24.10.2002, Az.: 2 U 2369/99
Fundstelle: IBR 2003, 120

I.

Die Beklagte (G) hatte 1995 als Generalunternehmerin gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (Autobahndirektion) als Bauherrin die Straßendeckenerneuerung auf einem Teilstück der Bundesautobahn A 9 übernommen. Durch Nachunternehmervertrag verpflichtete sich die Klägerin (S) als Subunternehmerin gegenüber der G, im Rahmen dieser Straßendeckenerneuerung die Verkehrssicherung und vorübergehende Markierung durchzuführen. Zwischen den Parteien wurde die VOB/B vereinbart. Nach Abschluß der Arbeiten forderte die S von der G eine gesonderte Vergütung für die Vorhaltung, Vollhaftung, Unterhaltung und Wartung von Leitborden und Leitschwellen. Diese Leistungen waren jedoch weder im Generalunternehmer- noch im Subunternehmervertrag vereinbart.

Entgegen § 2 Nr. 6 I VOB/B hatte die S den Vergütungsanspruch für die Zusatzleistungen nicht vor Ausführung der Leistungen angekündigt. Die G wendete daher gegenüber dem Vergütungsanspruch ein, bei rechtzeitiger Ankündigung der gesondert zu vergütenden Leistungen hätte sie diese Ankündigung an ihre Auftraggeberin, die Autobahndirektion, weitergeleitet. Hätte die Autobahndirektion dann die Arbeiten in eigener Regie und mit eigenen Kräften durchführen wollen, hätte die G die S angewiesen, die fraglichen Arbeiten nicht auszuführen. Im anderen Fall hätte die G ihrerseits einen entsprechenden Vergütungsanspruch gegen die Autobahndirektion erworben, den sie nunmehr wegen der unterlassenen Ankündigung nicht geltend machen könne.

Nach Auffassung des OLGs Nürnberg führt dieser Einwand nicht zu einem vollständigen Verlust der gesonderten Vergütung für die S: Zwar hänge der Anspruch des Subunternehmers, sofern er die Ankündigung unterlasse, davon ab, ob der Generalunternehmer seinen Anspruch auf Vergütung der Zusatzleistung gegenüber dem Bauherrn durchsetzen könne oder nicht. Im vorliegenden Fall könne die G den Anspruch jedoch zumindest teilweise gegenüber der Bundesrepublik Deutschland realisieren, sodass sich das Versäumnis der S insoweit als folgenlos erweise.

II.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg knüpft an die Rechtsprechung des BGHs zur ausnahmsweisen Entbehrlichkeit der Ankündigung nach § 2 Nr. 6 VOB/B an. Laut BGH ist die Ankündigung entbehrlich, wenn sie nach dem mit ihr verbundenen Schutzzweck für den Aufttraggeber nicht erforderlich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Auftraggeber gar nichts anderes übrig blieb, als die notwendige Zusatzleistung ausführen zu lassen und wenn ihm dazu auch keine andere, evtl. billigere Alternative möglich war (BGH BauR 96, 542; BGH IBR 2002, 59). Ist eine billigere Alternative vorhanden und die Ankündigung unterblieben, entfällt der Vergütungsanspruch jedoch nicht völlig, vielmehr kommt eine Aufteilung der Mehrkosten in Betracht.

Die dargestellten Einwendungen der G gegen den Vergütungsanspruch betreffen preiswertere Alternativen im Sinne der Rechtsprechung des BGHs. Die G war der Ansicht, dass bei rechtzeitiger Ankündigung der Arbeiten der Bauherrin u.U. gar keine weiteren Kosten entstanden wären. Damit hätte sie die Kosten, die ihr von der S in Rechnung gestellt wurden, nicht an die Bauherrin weiterreichen können. Hierfür war sie jedoch den Beweis schuldig geblieben.

Die Beweisaufnahme hatte nämlich ergeben, dass die Autobahnmeisterei aus eigenen Mitteln zur Erbringung der Zusatzleistungen nicht im Stande gewesen wäre; weder das erforderliche Material noch das notwendige Personal habe zur Verfügung gestanden. Der Auftrag über die Zusatzleistungen wäre daher zunächst mit der G verhandelt worden, da die Verkehrssicherungspflicht für die Baustelle auf jeden Fall in einer Hand bleiben sollte. Nur in einem allerletzten Notfall wäre der Auftrag an eine Drittfirma vergeben worden. Damit konnte die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der G den Vergütungsanspruch nicht vollständig zurückweisen; sie schuldete vielmehr den Betrag, für den sie den Auftrag nach entsprechenden Verhandlungen an die G nachträglich erteilt hätte. Diesen Betrag hat daher die G auch an die S zu zahlen.

Das Urteil dürfte für die Praxis von einigem Interesse sein: Nur selten ist eine Planung so ausgereift, dass Zusatzleistungen ausgeschlossen sind. Wer einen zeitraubenden Rechtsstreit über die Höhe der Vergütung für diese Zusatzleistungen vermeiden will, sollte die vorherige Ankündigung des Anspruchs auf zusätzliche Vergütung nicht vergessen und auf eine Vereinbarung über die konkrete Höhe dringen. Für einen Subunternehmer ergibt sich das zusätzliche Problem, dass er sich andernfalls mit Einwendungen seines Auftraggebers aus dessen Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn auseinandersetzen muss.