Entschädigungsanspruch gegen den Bauherrn bei Bauverzögerung durch Vorunternehmer
BGH, Urteil vom 19.12.2002, Az.: VII ZR 440/01

Fundstelle: BauR 2003, 531 ff.

I.

Die Klägerin führte für die Beklagte Trockenbauarbeiten aus. Die im Vertrag vorgesehene Bauzeit von 17 Wochen wurde um sechs Monate überschritten. Nach Behauptung der Klägerin hatten sich ihre Arbeiten verzögert, weil die Baustelle nicht oder nur unzureichend beheizt worden war; dies hing damit zusammen, dass das mit den Gewerken Heizung, Sanitär und Lüftung beauftragte Unternehmen ausgefallen war. Außerdem habe sich die Fertigstellung der Deckenaufhängung verzögert, weil die Lüftungsschienen erst ein halbes Jahr verspätet angebracht worden seien.

Die Klägerin machte die Beklagte für die Verzögerung verantwortlich, weil diese die Baustelle nicht richtig koordiniert habe. Sie verlangte daher von der Beklagten die Erstattung der zusätzlichen Aufwendungen für die Bau- und Projektleitung sowie für die bis zur Räumung der Baustelle unterhaltenen Mannschafts- und Bürocontainer in Höhe von insgesamt 110.000 DM. Diese Aufwendungen seien bis zur Fertigstellung der Leistung erforderlich gewesen und damit ein halbes Jahr zusätzlich angefallen.

Der BGH macht in seinem Urteil insbesondere Ausführungen zu der Frage, ob ein Entschädigungsanspruch wegen pflichtwidrig unterlassener Mitwirkungshandlung der Beklagten nach § 642 BGB besteht. Wie schon in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 geht der BGH davon aus, dass die dem Bauherrn gegenüber dem Bauunternehmer obliegende Mitwirkungshandlung darin besteht, das Baugrundstück als für die Leistung des Bauunternehmers aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen. Dies war vorliegend nicht der Fall, da die von der Beklagten beauftragten Vorunternehmer ihre Leistungen nicht rechtzeitig erbracht hatten.

Der Entschädigungsanspruch setzt allerdings darüber hinaus voraus, dass sich der Bauherr mit der Annahme der Leistung des Bauunternehmers in Verzug befindet. Dazu muss der Bauunternehmer seine Leistung wie geschuldet anbieten; zu einem solchen ordnungsgemäßen Angebot gehört beim VOB/B-Vertrag auch, dass er gemäß § 6 Nr. 1 VOB/B anzeigt, wenn er wegen hindernder Umstände nicht imstande ist, seine Leistung zu erbringen.

Wenn eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers erforderlich ist, ist nach allgemeinen Regeln kein tatsächliches „Andienen“ der Leistung notwendig, es genügt vielmehr ein wörtliches Angebot. Dieses wörtliche Angebot kann nach Ansicht des BGH,- und in dieser Klarstellung liegt vor allem die Bedeutung des Urteils begründet -, bereits dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass der Bauunternehmer seine Mitarbeiter auf der Baustelle zur Verfügung hält und zu erkennen gibt, dass er bereit und in der Lage ist, seine Leistung zu erbringen. Eine Behinderungsanzeige sei zudem nach § 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B entbehrlich, wenn die hindernden Umstände dem Bauherrn offenkundig bekannt waren.

II.

Das Urteil fügt sich in eine Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen zu diesem Thema ein. In einer Entscheidung vom 27.06.1985 (BauR 1985, 561 ff.: „Vorunternehmer I“) hatte der BGH dem Nachfolgeunternehmer noch jeglichen Anspruch gegen den Auftraggeber verwehrt, wenn er wegen mangelbedingter Verzögerung der Arbeiten des Vorunternehmers erst später als vereinbart seine Leistung beginnen konnte. Damals hatte der BGH argumentiert, die Verzögerung der Vorunternehmerleistungen falle nicht in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers. Diese Entscheidung war heftig kritisiert worden.

Mit Urteil vom 21.10.1999 (BauR 2000, 722 ff.: „Vorunternehmer II“) hatte das höchste Gericht schließlich erstmals in solchen Fällen einen Entschädigungsanspruch des Nachunternehmers nach § 642 BGB für möglich erklärt.

III.

Weiterhin restriktiv behandelt der BGH allerdings einen möglichen Schadensersatzanspruch des Nachunternehmers nach § 6 Nr. 6 VOB/B. Der Schadensersatzanspruch geht – jedenfalls nach der BGH-Rechtsprechung (anders: die herrschende Meinung in der Literatur) – vom Umfang her über den Entschädigungsanspruch hinaus: Der Entschädigungsanspruch soll den Unternehmer dafür entschädigen, dass er Arbeitskraft und Kapital bereithält und dass seine zeitliche Disposition durchkreuzt wird; der Schadensersatzanspruch umfasst darüber hinaus entgangenen Gewinn und Wagnis.

Dementsprechend sind die Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch strenger: Ein Entschädigungsanspruch besteht schon, wenn der Auftraggeber – ggf. auch ohne Verschulden – seine Obliegenheit verletzt, bei der Herstellung des Werkes mitzuwirken. Der Schadensersatzanspruch setzt darüber hinaus die Verletzung einer Vertragspflicht und Verschulden voraus; entgangener Gewinn kann sogar nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit verlangt werden.

Nach Ansicht des BGH (BauR 2000, 722 ff.) fehlt es an einer Vertragsverletzung, da der Auftraggeber sich regelmäßig den Nachunternehmern gegenüber nicht verpflichten wolle, notwendige Vorarbeiten zu erbringen. Dies soll nur anders sein, wenn der Auftraggeber sich zur bauseitigen Ausführung von Bauleistungen verpflichte oder sonst aufgrund besonderer Umstände anzunehmen sei, dass der Auftraggeber dem Nachfolgeunternehmer für die mangelfreie Erfüllung der Vorleistung einstehen wolle. Eine ausdrückliche Verpflichtung des Auftraggebers findet sich z.B. häufig in Bauverträgen der Gewerke Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation bezüglich der bauseits zu erstellenden Schlitze und Durchbrüche, die der Auftraggeber dann meist vom Rohbauunternehmer ausführen lässt.