Mängelsicherheitseinbehalt bei Nichtbefolgung der Sperrkontoaufforderung
KG Berlin, Urteil vom 18.11.2002, Az.: 24 U 249/01

Fundstelle: BauR 2003, 728 ff.

I.

Die Beklagte hatte der Klägerin 1999 den Auftrag zur Sanierung von zehn Altbauten mit über 200 Wohnungen erteilt. Um die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Gewährleistung sicherzustellen, war der Beklagten im Vertrag ein Sicherheitseinbehalt von 5 Prozent der Auftragssumme gemäß § 17 Nr. 6 VOB/B zugestanden worden. Sie war also berechtigt, von jeder Zahlung, die sie zu leisten hatte, bis zu 10 Prozent einzubehalten, bis die vereinbarte Sicherungssumme erreicht war. Nach § 17 Nr. 6 I VOB/B muss der Auftraggeber den einbehaltenen Betrag binnen 18 Werktagen auf ein Sperrkonto bei dem vereinbarten Geldinstitut einzahlen; zugleich hat er darauf hinzuwirken, dass das Geldinstitut den Unternehmer von der Einzahlung unterrichtet. Über das Sperrkonto sind beide Vertragspartner nur gemeinsam verfügungsberechtigt, die Zinsen stehen dem Auftragnehmer allein zu.

Die Beklagte kündigte den Vertrag und wies bei der Prüfung der Schlussrechnung der Klägerin einen Betrag von ca. 1 Mio. DM als Sicherheitseinbehalt aus. Daraufhin forderte die Klägerin sie unter Fristsetzung auf nachzuweisen, dass dieser Betrag auf ein Sperrkonto eingezahlt worden sei. Dies lehnte die Beklagte ab. Nimmt der Auftraggeber die Einzahlung des Sicherheitsbetrages auf das Sperrkonto nicht von sich aus vor und lässt er auch die vom Auftragnehmer hierzu gesetzte Nachfrist ungenutzt verstreichen, so kann der Auftragnehmer nach § 17 Nr. 6 III VOB/B die sofortige Auszahlung des Sicherheitsbetrages verlangen und braucht keine anderweitige Sicherheit mehr zu leisten. Das tat die Klägerin.

Die Beklagte verweigerte jedoch die Auszahlung des Sicherheitsbetrages und berief sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen bereits aufgetretener Mängel. Das Landgericht als Vorinstanz hatte entschieden, die trotz Nachfristsetzung nicht erfolgte Einzahlung auf ein Sperrkonto bewirke gemäß § 17 Nr. 6 III VOB/B, dass der Beklagten kein Recht mehr auf eine Sicherheitsleistung zustehe. Diese Rechtsfolge könne sie nicht dadurch aushebeln, dass sie sich im Wege der Zurückbehaltung des auszuzahlenden Betrages wegen erkannter Mängel eine Sicherheit verschaffe und hierdurch ihr vertragswidriges Verhalten sanktionslos mache. Das Kammergericht gab der Beklagten demgegenüber Recht.

II.

Wie das Kammergericht hatte bereits das OLG Dresden in einem Urteil vom 01.08.2001 (NJW-RR 2001, 1598 f.) entschieden. Anderer Ansicht ist z.B. das OLG Celle (BauR 2003, 906 ff.). Für die Ansicht von Kammergericht und OLG Dresden wird angeführt, dass ein vereinbarter Sicherheitseinbehalt nach ständiger Rechtsprechung des BGH den Auftraggeber nach Abnahme grundsätzlich nicht hindert, die Zahlung fälligen Werklohns wegen Mängeln gemäß § 320 BGB zu verweigern. Der BGH begründet dies mit den unterschiedlichen Zwecken von Sicherheitseinbehalt und Leistungsverweigerungsrecht: Der Sicherheitseinbehalt bezweckt, die Gewährleistung sicherzustellen. Das Leistungsverweigerungsrecht dient darüber hinaus dazu, auf den Auftragnehmer Druck auszuüben, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt; deshalb kann der Auftraggeber nach der gesetzlichen Regelung mindestens das Dreifache der Mängelbeseitigungskosten zurückbehalten.

Wenn aber der Sicherheitseinbehalt das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln nicht ausschließt, dann muss auch der Sicherheitseinbehalt selbst als Teil des Restwerklohns unter Berufung auf das Leistungsverweigerungsrecht zurückbehalten werden können. Das muss auch dann gelten, wenn dieser Einbehalt rechtlich nicht mehr als Sicherheit zu betrachten ist, weil ihn der Auftraggeber trotz Nachfristsetzung nicht auf ein Sperrkonto einbezahlt hat.

In der Praxis wird dadurch der Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts bei verweigerter Einzahlung auf ein Sperrkonto allerdings erheblich entwertet. Der Bauherr muß nur angebliche Mängel behaupten und kann den einbehaltenen Sicherheitsbetrag für sich behalten und damit letztlich das Bauvorhaben finanzieren. Der Bauunternehmer ist dann gezwungen, im Prozessweg die Auszahlung des restlichen Vergütungsanspruchs durchzusetzen. Da er nach Abnahme die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit seiner Arbeiten hat, kann dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.

III.

Ähnliche Probleme können auftreten, wenn dem Unternehmer im Bauvertrag die Möglichkeit eingeräumt ist, den Sicherheitseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft abzulösen. Übergibt der Unternehmer dem Bauherrn die Bürgschaftsurkunde, kann es passieren, dass dieser die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts unter Berufung auf Mängel verweigert.

Zu dieser Konstellation hat der BGH (BauR 1997, 1026 ff.) entschieden, dass der Auftragnehmer (nur) die Bürgschafturkunde zurückverlangen, nicht aber auf einer Auszahlung des Sicherheitseinbehalts bestehen könne. Denn die Gestellung einer Bürgschaft als Austauschsicherheit sei dahin auszulegen, dass sie unter der auflösenden Bedingung stehe, der Auftraggeber werde seiner Verpflichtung zur Auszahlung eines Bareinbehalts alsbald nachkommen. Verweigert der Auftraggeber die alsbaldige Barauszahlung wegen Mängeln, so tritt die auflösende Bedingung für die Gestellung der Bürgschaft ein, sodass sie der Auftragnehmer zurückverlangen kann. Auch hiernach kann der Auftraggeber somit (angebliche) Mängelansprüche behaupten und so das Austauschrecht des Auftragnehmers vereiteln.