Befristete Bürgschaft als taugliches Sicherungsmittel im Sinne von § 648 a BGB?
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.08.2002, Az.: 1 U 127/01

Fundstelle: BauR 2003, 412 f.

I.

Die klagende Auftragnehmerin verlangte gemäß § 648 a BGB von den beklagten Auftraggebern eine Sicherheit für ihre Vorleistungen und setzte hierfür eine Frist. Bekanntlich kann der Auftragnehmer seine Leistung verweigern, wenn die Sicherheit nicht innerhalb der gesetzten Frist erbracht wird. Danach kann er eine Nachfrist setzen mit der Erklärung, dass er bei nicht termingerechter Sicherheitsleistung den Bauvertrag kündigen werde. Das tat die Klägerin. Verstreicht auch diese Frist fruchtlos, gilt der Vertrag als aufgehoben. Die Beklagte legte jedoch vor Fristablauf eine Bürgschaftsurkunde einer Bank vor. Dort hieß es u.a., dass die Verpflichtungen aus der Bürgschaftsurkunde mit Ablauf des Fertigstellungstermins, der vertraglich für die Baumaßnahmen vereinbart war, enden sollten.

Die Klägerin lehnte diese Bürgschaft ab, da sie wegen der Befristung nicht den Voraussetzungen des § 648 a BGB entspreche, erklärte den Vertrag für aufgehoben und sprach die Vertragskündigung aus. Sie machte Werklohn für die bereits erbrachten, aber noch nicht durch Abschlagszahlungen bezahlten Vorleistungen in Höhe von etwas über 67.000 DM geltend. Die Beklagte verteidigte sich mit Schadensersatzansprüchen: Die Kündigung der Klägerin sei unberechtigt und stelle eine Erfüllungsverweigerung dar.

Das OLG Frankfurt am Main gab der Klägerin Recht. Der Vertrag gelte als aufgehoben, da eine Bürgschaft, die auf die vereinbarte Bauzeit befristet sei, nicht den Anforderungen des § 648 a BGB entspreche. Trotz Nachfristsetzung hätten die Beklagten somit keine ordnungsgemäße Sicherheit gestellt. Aus einer befristeten Bürgschaft kann die Bank nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die gesicherten Ansprüche bis zum Fristende fällig geworden sind. Fällig werden Vergütungsansprüche aus einem Bauvertrag erst nach Fertigstellung und Abnahme. Die Bank hätte daher, wenn die Klägerin sie in Anspruch genommen hätte, die Bürgschaftssumme für den Teil des Werks nicht auszahlen müssen, der erst nach Ablauf der Frist fertiggestellt worden wäre. Nach Ansicht des Gerichts wird die Klägerin hierdurch unangemessen benachteiligt, da auch eine nicht von ihr zu verantwortende Verlängerung der Bauzeit zum Wegfall der Besicherung führen würde.

II.

Das im Jahr 1993 in § 648 a BGB verankerte Recht des Auftragnehmers, eine Sicherheit für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen zu verlangen, gewährt insbesondere kleineren Subunternehmerfirmen einen wirksamen Schutz vor der Insolvenz ihres Auftraggebers. Die Vorschrift bekommt daher in dem immer härter werdenden Wettbewerb in der Bauwirtschaft eine zunehmend größere Bedeutung. Das am meisten verbreitete Sicherungsmittel ist die Bürgschaft. Das Urteil des OLG Frankfurt am Main klärt die Frage, ob eine befristete Bürgschaft als Sicherheit ausreicht mit der Folge, dass der Auftragnehmer sie akzeptieren und seine Arbeit fortsetzen müsste.

Die Befristung der Bürgschaft würde es dem Auftraggeber ermöglichen, eine Sicherheit nur für die vereinbarte Fertigstellungszeit stellen zu müssen. Dies könnte schon deshalb sinnvoll sein, um den Auftragnehmer zu einer pünktlichen Fertigstellung des Werkes anzuhalten. Da der Auftragnehmer eine Bürgschaft über die gesamte voraussichtliche Vergütung verlangen kann, wird dem Auftraggeber zudem durch die Sicherheit in erheblichem Maße Liquidität entzogen; durch eine unbefristete Bürgschaft wird er deshalb bei einer vertragswidrigen Überschreitung der Bauzeit zusätzlich geschädigt. Die Nachteile der Befristung für den Auftragnehmer scheinen demgegenüber auf den ersten Blick nicht allzu groß zu sein: Immerhin könnte er rechtzeitig vor Ablauf der Befristung eine erneute Bürgschaft mit einer weiter erstreckten Befristung verlangen.

Das OLG Frankfurt am Main weist allerdings zu Recht darauf hin, dass eine Vielzahl von Bauzeitverzögerungen nicht in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers fällt. Hinzu kommt, dass der Auftragnehmer zwar eine neue Bürgschaft mit längerer Befristung abfordern, die Gestellung einer solchen Bürgschaft aber nicht erzwingen kann. Denn § 648 a BGB gewährt keinen durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung, sondern nur ein Recht zur Arbeitseinstellung, wenn die Sicherheit nicht geleistet wird. Nach dem Ende der Befristung stünde der Auftragnehmer also u.U. ungesichert da, obwohl er zwischenzeitlich weitere Leistungen erbracht hätte.

III.

Der Fall wirft gleichzeitig die Frage auf, was gewesen wäre, wenn die Auftragnehmerin die befristete Bürgschaft akzeptiert und die bürgende Bank vor Fristablauf für die zu diesem Zeitpunkt fälligen Werklohnansprüche in Anspruch genommen hätte.

Mit dieser Konstellation hatte sich das OLG Oldenburg in einer Entscheidung vom 10.06.1998 (MDR 1999, 89 f.) zu beschäftigen. Die Vorinstanz, das LG Oldenburg, hatte die Klage des dortigen Auftragnehmers gegen die Bank auf Auszahlung der Bürgschaftssumme abgewiesen: Die Hingabe einer befristeten Bürgschaft sei aufgrund der Vorschrift des § 648 a VII BGB, wonach von den zwingenden Regeln des § 648 a BGB nicht abgewichen werden darf, unwirksam. Der Auftragnehmer könne daher aus der Bürgschaft keine Rechte herleiten.

Das OLG betont demgegenüber, dass § 648 a BGB ausschließlich der Verbesserung der Rechtsstellung des Auftragnehmers diene. § 648 a VII BGB könne daher nicht zum Nachteil des Auftragnehmers angewandt werden, der dem Auftraggeber – bewusst oder unbewusst – durch die Annahme einer befristeten Bürgschaft entgegengekommen sei. Es gab der Berufung des Auftragnehmers daher statt.